Sie sehen ein außen recht gut erhaltenes Klavier von Georg Schwechten. Es wurde 1880 in Berlin gebaut. Laut Wikipedia gelten die Instrumente als vorbildlich und sie sind relativ selten. Dort kann man auch lesen, welchen Gang die deutschen Klaviere schon seit längerem nehmen: Heute wwird der Markenname von der chinesischen Firma Shanghai Piano Company SPC Ltd. gebraucht. Die aktuellste Nachricht vom globalen Klaviermarketing ist der Kauf der deutschen Premiummarke Wilh. Schimmel (Braunschweig) für 26,6 Millionen Euro im Januar 2016 von der Pearl River Piano Group, dem mit einer Jahresproduktion (!) von 130.000 Klavieren größten Klavierbauer Chinas.
Das Innenleben unseres Pianos zeigt keine größeren Mängel. Huch! werden jetzt die Kollegen beim Anblick der Mechanik rufen. Denn es handelt sich um die unter Klavierstimmern in der Regel wenig geschätzte Oberdämpfermechanik. Sie bedeutet für den Stimmer mehr Aufwand beim Stimmen und selten gute Ergebnisse.
Klanglich hat diese Mechanik den Nachteil, dass die Dämpfung nicht optimal ist. Klaviere mit Dämpfern oberhalb der Klavierhämmer klingen häufig nach. Das können Sie in der ersten Aufnahme auch hören. Die zweite Aufnahme endet jedoch nicht wie sonst mit einer nachträglich mittels Software erstellen Ausblendung, sondern mit einem natürlichen Ausklang sowie dem Auslassen des Pedals, um den erreichten Fortschritt hinsichtlich des ausbleibenden Nachklangs zu dokumentieren.
Das Klavier aus unserem Hörbeispiel hat einen angenehmen Klang im Bass. Daher lohnt sich ein Blick unter den Spieltisch. Bereits von oben ist zu erkennen, dass der Bass nicht sehr schräg angeordnet ist. Auf diese konstruktive Maßnahme hat Georg Schwechten also verzichtet. Durch eine größere Schräge bekommen die Saiten noch mehr Länge. Dafür hat der Klavierbauer aus Berlin eine relativ große Bassbrücke eingesetzt, um die Auflagefläche des Bass-Steges weiter weg vom Rand zu verlagern. Dadurch kann sich der Bass klanglich besser auf dem Resonanzboden ausbreiten.
Wie so oft findet man auch bei diesem Klavier das bekannte Bild eines polierten rechten und eines stumpfen linken Pedals. Das Pianopedal wird traditionell seit rund 100 Jahren vernachlässigt. Dabei besteht bei diesem Klavier dazu kein Grund. Denn es handelt sich um ein Modell mit dem im Klavier seltenen Una-Corda-Pedal, das es heute als Standard nur im Flügel gibt. Hier verschiebt die Mechanik zur Seite. Dadurch wird - außer in der untersten Oktave - eine Saite weniger angeschlagen. Weniger Saiten-Volumen bedeutet weniger Lautstärke.
Wer als Klavierbauer etwas auf sich hält, gibt seinen Namen im Klavier an. Darunter rechts steht die Seriennummer. Das Klavier wurde laut dem Atlas der Pianonummern zwischen 1880 und 1881 gebaut.